Karsten Mönchgesang

Written by
Fabian Riemen

Karsten Mönchgesang

Karsten Mönchgesang

An zahlreichen Orten der Stadt Hof kann man Wandbilder und Objekte eines Künstlers finden, der sich Kasi nennt. Mittlerweile ist zudem die Chance sehr hoch, beim Flanieren durch die Stadt an einer Ausstellung seiner Werke vorbeizukommen. Und manche haben möglicherweise schon in Restaurants gegessen, in denen die Wände mit großflächigen Gemälden von ihm verziert waren. Man könnte sagen: Sehr viele Menschen finden es schön, die Möglichkeit zu haben, von Kasi etwas gestaltet zu bekommen. Doch Kasi ist ein bescheidener Mensch, und daher hört sich das bei ihm so an: „Ich finde es schön, einfach die Möglichkeit zu haben, gestalten zu dürfen.“ Wenn man bei den Partys der Hofer Filmtage oder der HofTexplosion zugegen ist, dann kommt man nicht um das riesige, verschmitzt dreinblickende Gesicht eines älteren Mannes herum. Man findet seine Spuren im Kolonadenkarree, hinter Treffpunkt und Galeriehaus; an einem im Auftrag der Soroptimistinnen gestalteten Stromhäuschen; im Seasons Family; bei einer Autolackierei; bei Auftritten von Bensen...  Kasi, so scheint es, kann alles, ob Hoch- oder Subkultur. Doch es gibt so etwas wie eine Art Bedingung, denn Kasi wünscht sich, "dass die Menschen Lust darauf haben, anders zu sein oder das auch akzeptieren, dass es viele Leute gibt, die anders sind.“

Karsten Mönchgesang im Interview.


Wer ist Kasi? „Ein ziemlich gelassener Künstler, würde ich sagen“, so sagt er selber und schmunzelt. Das macht er oft und viel, und das wirkt ansteckend. Hört man ihm eine Weile zu, so erscheint die Welt als ein Ort zum Mitmachen, und der eigene Spielraum liegt in der Möglichkeit, positiv zu wirken. Er möchte, „dass man nicht einfach nur durch die Stadt geht und sagt: »das sieht ja blöd aus, das ist ja voll langweilig«, sondern dass man durch die Stadt geht und sagt: »ich frage ihn jetzt einfach mal, ob man diese Wand gestalten könnte.« Man sollte schon mehr Farbe in die Umgebung bringen, mehr Menschen zum Nachdenken anregen oder positive Emotionen erwecken.“ Kasi spricht unaufgeregt, seine Sätze sind vereinzelt unterlegt mit Ausdrücken aus der Szene. Einer davon ist „halt“: „Ich hab mir halt gedacht...“ In diesem kleinen Wörtchen würde man Kasis künstlerischen Ansatz wohl am Ehesten finden: Halt. Seine Kunst lädt dazu ein, Halt zu machen, innezuhalten, die Welt um sich herum zu verinnerlichen. Das gelingt seiner Kunst  durch Irritation: Er erzählt von einer seiner Ausstellungen in Hamburg, wie er an seinem Bild vorbeilaufende Leute beobachtet hat, „die dann auf einmal stehen bleiben und zurückschauen, und so »wie cool ist das denn?« – so: im Alltagstrott einfach geradeaus rennen und dann: »Moment, das war ja cool!« So etwas finde ich auch wertvoll.“ In Hof hat er konsequenterweise gerade eine Freiluftgalerie an verschiedensten Orten der Stadt gestartet.

„Einfach mal ausprobieren, gar nicht darüber nachdenken, sondern einfach machen.“

Karsten Mönchgesang

Prägende Erlebnisse

Kasi hat Kunst gewissermaßen vorgelebt bekommen. „Meine Großmutter ist Fotografin. Ich war in den Ferien ganz oft dort und die hat uns dann immer mit zu Konzerten genommen, zu klassischen Konzerten, zu Kunstausstellungen oder zur eigenen Fotoausstellung. Und ich glaube, das hat unbewusst bei mir als Kind auch schon was ausgelöst, dieses Sich-Ausstellen, Sich-Präsentieren. Ich fand das so cool, dass man, wenn man was mit Herzblut macht, auch die Möglichkeit hat, ausstellen zu können. Ich glaube das hat mich auch immer extrem angetrieben, so was auch mal machen zu können – auch um meine Großeltern irgendwo stolz zu machen, dass man halt auch so einen Weg einschlägt.“ Und das hat er dann auch gemacht. Heute hat er auf Reisen Sketchbooks dabei, in denen er im Alltag Skizzen zeichnet und so Ideen – Emotionen – festhält. Kürzlich hat er beim Schmökern in einem der alten Bücher die Zeichnung eines Jungen entdeckt, der eine Pistole in der Hand hält, gezeichnet hatte er sie als er 15 war, nun hat er sie eingerahmt und an die Wand gehängt. „Ich habe von klein auf gemalt und habe das dann in der Schule weitergeführt, hatte damals mit einem guten Freund angefangen mit Graffiti. Man hatte schon so einen kleinen Wettkampf, und wir hatten in Gotha eine sehr, sehr gute Graffitiszene und auch einige Möglichkeiten wo wir malen konnten. Legal malen konnten.“ Kasi verfolgt diesen Weg weiter: „Ich bin immer bei der Kunst geblieben, also egal ob man jetzt wirklich als Kind im Kinderzimmer saß und seine Schrankwand gezeichnet hat oder aus dem Fenster die Natur bis hin dann halt zum Graffiti; und dann irgendwann so aus eigener Emotion heraus Portraits angefangen hat, irgendwann kamen abstrakte Sachen dazu. Also man hat sich halt selber immer ein bisschen ausprobiert. Das ist immer so ein Schaffensprozess gewesen, dass man sich immer selber angetrieben hat, ausprobiert hat und glücklicherweise dann halt auch oft genug Anerkennung bekommen hat.“

Immer bei der Kunst geblieben.

Eines seiner Themen, welches er seit längerer Zeit immer wieder aufnimmt, sind Gesichter von älteren Menschen, vor allem Männern. Wie kommt es dazu? „Bei alten Menschen sind es einmal die Falten, die das Erlebte zeigen, und zum zweiten sieht man irgendwie ganz selten mal ältere Menschen irgendwie so Fratzen machen.“ Kasi lebte während seiner handwerklichen Ausbildungen eine Zeit lang bei seiner Großmutter, der Fotografin, und seinem Großvater. Dieser inspiriert ihn mit seiner Lebenshaltung und seinen Nachfragen und wird einer seiner wichtigsten Bezugspunkte. Ob das ebenfalls eine Motivation hinter der Gesichter-Reihe sein könnte? Kasi denkt nach, nickt ein wenig abwägend und lässt das erstmal stehen. Er erzählt von der politischen Implikation der Reihe: Seine Frau hat während ihrer Zeit in Hamburg eine Frau in einem Seniorenheim regelmäßig besucht und mit ihr Ausflüge gemacht, unter anderem über die Elbe zu einem Musical. Das Thema des alltäglichen Lebens von älteren Menschen und der Diskurs darüber beschäftigt Kasi. „Auch wenn sie vielleicht jetzt nicht die perfekte Situation drumherum haben: trotzdem sind alte Menschen gewillt, Emotionen und Freude zu empfinden oder Spaß zu haben am Leben. Und ich glaube das ist so ein bisschen, was ich mir auch wünsche: dass man auch älteren Menschen die Möglichkeit gibt, das Leben noch lebenswert zu erhalten.“

Seine Frau war es auch, weswegen er nach Hof kam. Sie ist Gewandmeisterin am Theater und zwischen dem Theater Hof und ihr hat es eben gefunkt. Von Hamburg nach Hof, das war zunächst mal nicht so leicht für Kasi. Sehr schnell hat sich das für ihn geändert: zum einen „gab es Wochenenden, da weißt Du nicht, wo Du hingehen sollst, weil es so viel gibt“, zum anderen konnte er mit seiner eigenen Kunst sehr schnell tätig werden. Das liege an der Produktivität in der Stadt, die ihr eigenes künstlerisches Potenzial ernst nimmt anstatt Kunst ausschließlich von außen zu importieren. „In Hof gibt es wirklich überall Spannung – also keine Spannungen, sondern Spannung.“ Kasi nennt die Kunst- und Kulturszene, Bars, Festivals, die Kneipenkultur. Mit dem Gründerzentrum seien wichtige weitere Vernetzungsmöglichkeiten entstanden. Direkt neben dem Einstein1 sieht er hingegen Einrichtungen mit noch nicht ausgeschöpftem  Potenzial: Die Beamtenfachhochschule und die Hochschule versammeln viele junge und kreative Leute, sie „finden aber nicht statt. Was schon cool wäre, wenn diese Beamten- und Hochschule irgendwo noch weiter mit rein greift und die Studenten auch mal sagen: »Kommt, wir bleiben am Wochenende hier!«”


„Ich möchte schon Emotionen wecken, aber eher fröhliche Emotionen, lachende... also ich möchte mein Publikum fröhlich erleben!“

No items found.

Karsten Mönchgesang

Emotionen wecken

Welche gesellschaftliche Rolle hat Kunst? „Ich finde schon, dass Kunst viel mit Politik auch zu tun hat: also jeder, der etwas ausstellt, möchte Emotionen erzeugen und irgendein Thema ansprechen.“ Dafür brauche es ein System, das Kunst ermögliche: „Die Kunst kann nicht ohne Demokratie funktionieren und existieren, weil sie sonst zensiert, verboten wird. Genauso finde ich aber, dass die Demokratie die Kunst als Meinungsäußerung braucht, als Pool von kreativen und sich äußernden Menschen. Und deswegen, finde ich, sind sie abhängig voneinander.“ Kasi sieht sich selbst in der Verantwortung, sich von der Vielfalt der Welt inspirieren zu lassen: „Ich glaube man muss sich da immer so ein bisschen selber antreiben, weiter zu machen und nicht so verbohrt zu sein und einfach mal neue Sachen heranlassen; einfach mal über den Tellerrand schauen und machen.“

Einmal, bei einem Auftrag für ein großes Wandgemälde im Galeriehaus, ist er beinah an seinen Ansprüchen gescheitert. Im letzten Moment hat er es bemerkt: „Da habe ich mir mit dem Micha die Wand angeschaut und gemeint: können wir diesen Busch nicht wegschneiden? Da hat er gesagt: »Das können wir nicht, da kriegt man bestimmt Ärger!« Da ist mir dann selber erst mal aufgefallen, wie kurzlebig das ist: Wir selber gehen gerne in die Natur, aber da wollen wir sie weg machen. Warum störe ich mich an diesen an diesem Busch? Und dann hab ich gesagt okay, ich nehme den mit rein und male einen Menschen, der sich halt durch diesen Busch gestört fühlt.“ So ist der Kasi: er schmunzelt auch über Momente, in denen er seinen eigenen Ansprüchen nicht gleich gerecht wurde. Er ist halt ein ziemlich gelassener Künstler. Visionen für die Welt? „Dass man auf Menschen zugeht. Und ja – einfach fröhlich ist und für Neues offen ist, das würde ich mir wünschen!“

Der Busch durfte für das Kunstwerk stehen bleiben.

 


„Ich glaube man muss sich da immer so ein bisschen selber antreiben, weiter zu machen und nicht so verbohrt zu sein und einfach mal neue Sachen heranlassen; einfach mal über den Tellerrand schauen und machen.”

No items found.

Karsten Mönchgesang