Alexander Kaiser

Written by
Fabian Riemen

Alexander Kaiser

Alexander Kaiser

Das Feuer gehört dazu. Es knistert im Kachelofen und leuchtet den Boden mit einem sanften Rot aus. Aus den Lautsprechern hört man Barry White seine Liebe über die Welt ausschütten, und aus der Küche duften bereits die Klöße mit Soße. Es ist 18 Uhr, in wenigen Minuten wird das Kunstkaufhaus proppenvoll sitzen, viele werden zu Abend essen, frisch gezapftes Meinel genießen und den Raum mit einem quirligen Geräuschpegel aus Diskutieren, Lachen und Rufen nach Nachschub füllen. Barry White kann sich dann nicht mehr durchsetzen. Das ist aber gar nicht so schlimm, denn um Punkt 20 Uhr verwandelt sich das KKH abermals: in eine rauschende Tanzfläche. Dann nämlich beginnt eine Band zu spielen und füllt den Raum für gewöhnlich mit einer Mischung aus Ekstase und Intimität. Und dann, nach dem letzten Song? Das sind, sagt Alexander Kaiser, „zum einen die Momente, wo Du irgendwo eine Stecknadel fallen hörst und dann ist das Konzert aus und Du denkst, jetzt müsste doch eigentlich der Ruf nach Zugabe kommen. Aber die Leute sind erstmal über Minuten so gebannt noch, von dem was auf der Bühne passiert ist, wo es dann wirklich einen Moment dauert, bis sich dann irgendjemand traut, die Ruhe zu unterbrechen. Oder ganz andere Konzerte – der Rekord auf dieser Bühne waren zwölf Mann, die Leute tanzen und feiern, sie sind begeistert, und auch die Bands, weil es ist hier wirklich so was von nahe: wenn hier der Bassist dasteht und Zentimeter davor der erste im Publikum, und da wird eben getanzt, da wird gefeiert.“

 

Alexander Kaiser im Interview


„Die Momente, wo Du irgendwo eine Stecknadel fallen hörst und dann ist das Konzert aus und Du denkst, jetzt müsste doch eigentlich der Ruf nach Zugabe kommen. Aber die Leute sind erstmal über Minuten so gebannt noch, von dem was auf der Bühne passiert ist.“

Alexander Kaiser

ONE-MAN-SHOW

Alex Kaiser lebt das Kunstkaufhaus, in vielerlei Hinsicht: Er ist Konzertveranstalter, Koch, Galerist, Netzwerker, Wirt, Theaterproduzent – und er putzt, kauft ein, bedient. „Die One-Man-Show“, wie er es nennt. Und von den meisten dieser Tätigkeiten erzählt er mit großer Liebe: wie er die Bands bucht, die Kontakte pflegt oder böhmische Spezialitäten in Tschechien besorgt und in seiner Küche zubereitet. Wie wenig nach einer Ausstellung hängen bleibt an Geld, und wie viel Freude und Lebensqualität es ihm und den Gästen bringt. Der Kaiser brennt für das Erzeugen von besonderen Momenten, in denen er gemeinsam mit seinen Gästen Teil eines Ereignisses wird, das mit dem Alltag bricht. Dabei ist der kaiserliche Etat im KKH überschaubar. „Ich ziehe meinen Profit und meinen Benefit aus anderen Sachen, aus den Erlebnissen, aus den Begegnungen, aus den Freundschaften. Aus dem, was hier passiert.“ Und passieren tut hier allerhand. Einmal im Monat findet im KKH die Hofer Talkshow Nachtgebiete – Gwaaf zer Nacht mit Roland Spranger statt. Das Volxskino von Kopf Hof hat hier sein Zuhause, Matthias Egersdörfer schaut regelmäßig mit einem neuen Programm vorbei, Sebastian Block, Matuschke und Susanne Rohrer ebenso, der Weiherer sowieso, und irgendwie sind sie mittlerweile alle mit dem Alex befreundet. Man könnte die Liste schier unfassbar lange weiterschreiben, mit Ronley Teper oder Franziska Günther. Die Bands, die im KKH aufgetreten sind, kamen aus den USA, aus Australien, Österreich, Tschechien, Polen, Kanada, Indien, dem Afrikanischen Kontinent, aus Deutschland. Frühere Hofer Schüler wie Jonathan Sell kommen mit ihren Bands auf Tourneen im KKH vorbei. Überhaupt, die Hofer Künstler*innen: Bernd Schricker, Gerhard Plietsch, Maximilian Adler, Gery Gerspitzer und Albert Rambacher geben sich quasi das Mikro in die Hand. Gemeinsam mit dem Alten Bahnhof, dem Galeriehaus und der Linde veranstaltet Kaiser die Linie 4, ein Musikkneipenfestival. Und wenn mal kein Konzert ist, dann wird zur Gitarre in der Ecke gegriffen und gesungen, vor dem Hintergrund der jeweiligen Ausstellung: gegenwärtig sind das Fotografien von Thomas Neumann. Regelmäßig wird das kleine Tischchen für Lesungen auf die Bühne gestellt. „Und wenn keine Kultur passiert, dann passiert hier trotzdem Kultur: dann ist es die Wirtshauskultur, die Diskussionskultur, Essen, Trinken, einen schönen Abend, eine schöne Zeit haben. Leute kennenlernen. Austausch.“

Alexander Kaiser als Schalgzeuger der Franken Five auf der Bühne

Kaiser hatte das Kunstkaufhaus nicht so geplant. Mit dem Liveguide-Magazin und einer Künstlervermittlung hatte er Ende der Nullerjahre das Bahnhofsviertel als Kunstraum entdeckt. In Leerständen organisierte er Ausstellungen und die Reihe „Lesungen an außergewöhnlichen Orten“. Der damalige Stadtteilmanager Thomas Funke spricht ihn auf ein Förderprogramm für Kunstausstellungsräume an, Kaiser schreibt ein Konzept. Das wird angenommen und der Stadtrat beschließt es einstimmig. Doch, so fragt er sich, wie soll man eine Galerie halten? Ab und an mal ein Konzert mit Ausschank, das sollte die Lösung sein. „Ich wollte keine Kneipe eröffnen, das ist einfach so passiert.“ Das Haus ist mittlerweile unter einem neuen Besitzer komplett renoviert, das KKH verfügt nun über einen neuen Biergarten und eine Künstlerwohnung, mit der das Buchen von Bands vereinfacht wird – als Veranstalter hat man sich bisweilen eben auch um die Unterkunft zu kümmern. Sein Team um Andrea unterstützt ihn, wenn die One-Man-Show nicht ausreicht.

 


„Und wenn keine Kultur passiert, dann passiert hier trotzdem Kultur: dann ist es die Wirtshauskultur, die Diskussionskultur, Essen, Trinken, einen schönen Abend, eine schöne Zeit haben. Leute kennenlernen. Austausch.“

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Alexander Kaiser

KUNST & KULTUR

Warum brauchen die Menschen Kunst und Kultur? „Wenn etwas Drive hat, dann kann dich das natürlich auch aus dem Alltag rausreißen, wenn Du irgendwie einen Bürojob hast oder stehst irgendwo an der oder was auch immer, dann gehst Du her und lässt los. Dann gefällt dir die Musik, und Du kannst tanzen und die Sau raus lassen, mal sehr salopp gesagt. Oder aber: wenn es anspruchsvoll ist, zum Nachdenken, wo man sagt: jetzt beschäftige ich mich mal mit dem Thema X von der Lesung oder vom Theaterstück – da ist jetzt mal nix Halligalli und das ist jetzt auch nicht witzig, sondern das ist Ernst. Dann hab ich das was zum Nachdenken, und nicht nur für die Stunde oder die Eineinhalb, sondern da kann ich auch drei Tage später drüber nachdenken oder zwei Wochen später, wo ich denke: Vielleicht hat der Künstler auch das gemeint, oder vielleicht hat er es auch nicht gemeint!“ Kunst, so Alex, nehmen die Menschen mit. Es ist ein Ereignis, von dem man noch Wochen zehren und über das man ebenso lang nachdenken kann. Auf diese Weise kann ein einziges Kunstereignis ein ganzes Leben verändern. Kaiser ist nicht nur Kunstorganisator, sondern auch Stadtrat, und als solcher weiß er um die Bedeutung von Diskussionskultur, die mit kritischem Feedback beginnt: „Was hier im kleinen Rahmen möglich ist: dass die Leute dann am Tresen dem Künstler sagen, Also das fand ich jetzt aber nicht so toll. Da passiert Austausch. Und unser Leben, sei es jetzt in der Arbeit, in der Familie, bei Freunden, das lebt doch von Austausch. Und in der Kultur hast Du eben nochmal eine andere Ebene: da geht es nicht um die Weltherrschaft, sondern um was Tolles, was ein Künstler gemacht hat. Und da kann man sich einfach austauschen, und muss nicht immer alles bejubeln.“ Er selbst erzählt das am Beispiel der Hofer Theatergruppe Die Pelle: Kaiser hat sie mitgegründet und die ersten Stücke produziert. Der Regisseur trifft dabei nicht immer seinen Geschmack, doch er würde diesen Weg jederzeit wieder so gehen, denn „es ist großartig, dass so was passiert und dass man es zulässt. Und Hannes ist ein toller Kerl, die Pelle eine Supersache, aber ich muss ja nicht alles mögen. Das Eine schließt ja das Andere nicht aus.“ Auch das, was einem persönlich nicht so gefällt, darf eben bestehen.

 

Das Deckengemälde im Kunstkaufhaus von Sebastian Block

Alex, wie ist das mit der Hofer Kunst- und Kulturlandschaft? „Hof war schon immer geil. Hof war kulturell immer geil. Also das ist ja wahnsinnig vielfältig, wir haben das Theater, wir haben die Symphoniker, wir haben die Hofer Filmtage, wir haben die Freiheitshalle – das ist jetzt, sag ich mal, die Hochkultur. Und dann haben wir die Vereine, wie beim Galeriehaus, wo ein Verein dahintersteht, oder die Indies, die Filzfabrik, oder Awalla. Es ist ein großes, breites Spektrum, wo man woanders lange suchen muss. Das soll jetzt wirklich nicht so kleinkariert klingen: wir sind die Besten, wir sind die Größten – sondern aus Erfahrung: man muss wirklich lange suchen, um so eine Vielfältigkeit und so ein Angebot überhaupt zu finden.“ Diejenigen, die diese Vielfalt schaffen, hoffen auf das baldige Ende der Pandemie – auch der Kaiser. Dann wird er wieder Feuer anschüren, putzen, kochen, eine feine Band einladen und die Tür öffnen. Alex ist bereit.


„Hof war schon immer geil. Hof war kulturell immer geil.“

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